Endlich wieder per Velo unterwegs

Nach fast zweijähriger Reise-Abstinenz wagen wir uns wieder auf eine Velotour. Neu daran ist, dass wir jetzt mit E-Bikes unterwegs sind. Die Unterstützung durch einen Elektromotor ist eine angenehme und kraftsparende Variante des Velofahrens. Wir freuen uns auf diese Reise, die uns in den Schwarzwald, ins Kaiserstuhlgebiet und an den Rhein führen wird. Die Wettervorhersage verspricht uns wunderschöne Tage, und die zu erkundende Gegend habe ich schon einmal allein und mit einem herkömmlichen Rad erfahren. Lassen wir uns überraschen!

Montag, 14. Juni 2021: Fahrt nach Schönenwerd

Morgens um halb sieben machen wir uns auf den Weg. Dem Sempachersee entlang erreichen wir  Sursee. Auf der Bananenbrücke treffen wir alte Bekannte, nämlich Marianne und ihren Chef Thomas Müller. Nach einigem Austausch geht die Fahrt weiter. Kurz vor Staffelbach kommen wir mit einem Landwirt ins Gespräch, der gerade mit Traktor und Spritzwagen unterwegs ist. Wir fotografieren eine Buntbrache-Feld mit rot leuchtenden Mohnblumen und wunderbar blauen Kornblumen. Dabei stossen zwei fast unlösbare Gegensätze aufeinander: Der Bauer mit der Berufung, Nahrungsmittel für die Bevölkerung zu produzieren, contra uns Naturbewunderer, die sich an der Schönheit der Umwelt ergötzen. 

In Schönenwerd, im Garten unseres Sohnes, jäte ich noch am Vormittag die überall spriessenden Wolfsmilchpflanzen, und dabei reibe ich unbewusst mit dem Finger das linke Auge, was zu einer brennend schmerzenden Augenentzündug führt. Und diese muss zwingend im Notfall der Augenklinik des Kantonsspitals Aarau behandelt werden. Damit kommt die Weiterreise ins Stocken. Wir lassen uns abholen und warten die kommenden Ereignisse ab.

Freitag, 18. Juni 2021: Weiterfahrt nach Weizen (Stühlingen)

Nach dem schnellen Rückgang der Augenentzündung und einem positiv verlaufenen Untersuch bei der Augenärztin, machen wir uns heute früh auf den Weg. Im Zug fahren wir nach Schönenwerd, wo unsere Utensilien eingelagert sind. Ca. um zehn Uhr sind wir abfahrbereit. Schnell erreichen wir den offiziellen Radweg der Aare entlang Richtung Koblenz. Am Klingnauer Stausee geniessen wir auf einer Bank ein paar Früchte und schauen noch etwas auf die Wasserfläche hinaus. Viele Schwäne, ein paar Rostgänse und wenige weitere Wasservögel bevölkern den See. Im nahen Restaurant Oase geniessen wir einen Kaffee und einen Glacé-Coupe. Bei weiter steigender Hitze setzen wir unsere Fahrt fort. 

Schon bald erreichen wir die Rheinbrücke nach Deutschland. Ohne Kontrolle reisen wir ein und fahren der Wutach entlang Richtung unser Ziel. In Wutöschingen tanken wir auf, Wasser ist jetzt wichtig. Und dann geht es weiter. Trotz angezeigter Umleitung wegen Bauarbeiten benutzen wir den in der Karte angegebenen Radweg. Allerdings erkundigen wir uns noch bei einem Einheimischen, der uns ein problemloses Durchkommen prognostiziert. Der Weg gleicht eher einem frisch gepflügten Acker, aber da er trocken ist, kommen wir gut voran. So erreichen wir Weizen, unser Ziel, und geniessen im vorgebuchten Gasthaus eine erfrischende Dusche, ein kühles grosses Bier und danach ein schmackhaftes Znacht (Salat, Spargeln, frische Rehleberli, Bratkartoffeln und einen kühlen, trockenen Rosé dazu). Und nun ist Nachtruhe angesagt.

Samstag, 19. Juni 2021: Von Weizen an den Titisee

Nach einer gewittrigen Nacht ist der Himmel noch leicht milchig. Wir laben uns nach der Morgentoilette an einem gut bestücktes Frühstücksbuffet auf der Terrasse. Nachher starten wir die heutige Etappe, die uns an den Titisee führen wird. Von Dort haben wir bereits die Bestätigung, dass für uns ein Zimmer frei ist.

Die Fahrt beginnt mit einem steilen Anstieg mach Lembach und weiter zum Südschwarzwald-Radweg. Diesem folgen wir bis nach Bonndorf. Dort statten wir dem mir von einem früheren Besuch bekannten Gasthof Krug einen Besuch ab und treffen dort einen früheren Koch und Verwandten des Besitzers. Wir kommen ins Gespräch. Er weiss allerlei Wissenswertes über die Gegend, Historisches und Personelles. So erfahren wir unter anderem, wie die Firma STO in Stühlingen gross wurde und was alles dazu beigetragen hatte. Und die Entstehung der Eisenbahnlinie nach Bonndorf und ihre Aufhebung ist ebenfalls Thema seiner Ausführungen. 

Nach dieser spannenden Begegnung fahren wir weiter Richtung Lenzkirch, auf dem sogenannten Bähnle-Radweg. Lenzkirch besitzt einen sehenswerten Dorfkern, wobei das Rathaus mit seiner herausragenden Architektur besonders hervorsticht.

Weiter geht es auf dem Bähnleweg mit stillgelegten und umfunktionierten Stationen Richtung Neustadt. Wir fahren teilweise auf der umgebauten Trasse und über hohe, kunstvoll angelegte Viadukte durch einsame Wälder und Lichtungen mit vielfältig bewachsenen Wiesen und riesigen Holzlagern. 

So gelangen wir nach Neustadt-Titisee, wo wir in einer Freiluftwirtschaft unseren durch die Hitze bedingten  Flüssigkeitsverlust auftanken. Die letzten rund sieben Kilometer bis an den See führen uns zur heutigen Herberge, das Gästehaus Wald und See.

Nach der Retablierung führen wir unsein kühlendes Getränk auf einer Terrasse über dem See zu, unternehmen noch eine Pedalofahrt auf dem See, betrachten auf dem Riesenrad noch die ganze Szenerie von oben. Das anschliessende Nachtessen nehmen wir abermals auf einer Terrasse über dem See ein. Danach fällt uns auf, dass nur wenige Leute am Quai sind. Schliesslich findet der Fussballmatch Deutschland- Portugal statt. Im Ortszentrum begegnen wir dann doch einer  lautstark feiernden Gruppe Leute, die sogar zwei schweizerdeutsche Songs spielen lassen, die ich bei uns noch nie hörte. Und jetzt schlägt es neun vom Kirchturm.

Sonntag, 20. Juni 2021: Zur Abwechslung ein Wandertag

Das Morgenessen nehmen wir im Garten unserer Unterkunft ein. Käse, Schwarzwälder Schinken, ein Ei, Brot etc. sind dabei. Es schmeckt und gibt Energie. Und die brauchen wir, denn vor dem Weggehen müssen wir unsere Sachen einpacken, da wir für die nächste Nacht ein grösseres Zimmer kriegen.

Mit der von der Unterkunft zur Verfügung gestellten Gästekarte fahren wir kostenfrei mit dem Bus zur Station Feldberg Caritas-Haus. Von dort aus wandern wir 5,5 km zuerst durch den Wald und später über würzig riechende Wiesen mit recht vielfältigen Pflanzen zum Gipfel des Feldbergs. Da stehen zwar eine grosse Senderantenne, eine Wetterstation und andere Gebäude, aber eine Wirtschaft fehlt. Dafür gibt es viele Leute hier oben, die wandernd unterwegs sind. Leider ist das Wetter nicht optimal, Wolken und Dunst verdecken die Aussicht – schade.

Wir beschliessen zur Todtnauer Hütte abzusteigen, um uns dort zu verpflegen. Mit einer Apfelschorle und einer Vesperplatte mit viel Fleisch stärken wir uns und machen dabei die Prophezeiung der Servicefrau wahr, indem wir noch etwas Brot nachbestellen. Denn diese sagte bereits zum Voraus, dass die Schweizer viel Brot zum Fleisch ässen. 

Danach steigen wir zur Busstation ab und fahren zum Titisee zurück. Ein erfrischendes Bad im braunen Moorwasser und anschliessend ein grosses Bier, bevor der Regen kommt, runden den Tag ab. Der zwingt uns, im Zimmer zu bleiben, und hier läuft nun die Direktübertragung des Fussballmatchs Schweiz-Türkei von Radio DRS 3 (3 : 1).

Das Nachtessen fällt heute aus, da noch genug Energie von der Vesperplatte übrig ist.

Montag, 21. Juni  2021: Fahrt nach Freiburg über den Rinken 

Das Frühstück nehmen wir heute im Frühstücksraum ein, da es noch nass ist draussen nach der vorherigen regnerischen Nacht. Nachdem das Zimmer geräumt und alle persönlichen Sachen gepackt und aufgeschnallt sind, starten wir. Durch den idyllischen Brugger Wald mit einem ehemaligen Eisweiher führt uns der Weg nach Hinterzarten, einstmals ein Zentrum des nordischen Skisports. Hier befindet sich eine riesige Schanzenanlage für Sommerspringen. Anschliessend führt die Strasse durch dichte Wälder, vorbei an saftigen, viefältigen Wiesen mit weidendem Vieh auf auf den über 1200 m hoch gelegene Rinken. Da sind einige anspruchsvolle Steigungen zu überwinden. Aber mit dem E-Bike mit verschiedenen Unterstützungsmodi sind diese Hindernisse problemlos zu überwinden, wenn man etwas vorausschauend fährt. Vom obersten Punkt hinunter nach Kirchzarten ist sogar ein recht grosser Streckenabschnitt für jeglichen motorisierten Verkehr gesperrt, und zwar mit geschlossenen Schranken. Und da erreicht man ohne weiteres Geschwindigkeiten von mehr als 50 km/h. Die Bremsen jedenfalls werden heiss. Man riecht‘s. Aber immer wieder legen wir einen Stopp ein, um eine Sehenswürdigkeit zu bestaunen, so z.B. den Ziegenhof mit der Geissenfigur hoch auf dem Dach oder die frisch gescherten Alpakas auf der Weide oder die prächtige Aussicht. 

So erreichen wir kurz nach Mittag unser heutiges Ziel, Freiburg. Nach einigem Suchen finden wir unser gebuchtes Hotel, können dort unmittelbar einchecken, unsere Velos in die Tiefgarage stellen und zum Aufladen der Akkus ans Netz anschliessen. Frisch geduscht begeben wir uns auf den Domplatz, wo ich meinen Mund, meine Nase und meinen Magen mit einem Schwarzwaldbecher erlabe – köstlich! Margrit begnügt sich mit einem Glas Prosecco.

Anschliessend fahren wir mit der Schlossbergbahn auf den gleichnamigen Hügel. Allerdings sind wir schwer enttäuscht. Der Aussichtsturm liegt noch einige Meter höher und das Café ist geschlossen. Die Hitze macht uns zu schaffen, aber ich erreich doch noch die oberste Plattform und geniesse den Ausblick auf die Stadt und ihre Umgebung. Leider kündigt sich eine Niederschlagszone an. Wir beschliessen nach der Rückkehr ins Stadtzentrum gleich etwas zu essen, um dem Regen zu entrinnen. In einem mexikanischen Restaurant geniessen wir Nachos und kehren mit beginnendem Regen ins Hotel zurück. Da warten wir nun darauf, dass der Regen aufhört, um danach noch einen Stadtbummel mit Schlummertrunk zu unternehmen.

Dienstag, 22. Juni 2021: Weiterfahrt nach Bickensohl im Kaiserstuhl

Nach einem Glas Rotwein aus der Gegend schliefen wir beide bestens. Margrit war der Meinung, es wäre bisher die beste Nacht gewesen. Ich musste allerdings irgendwann das Fenster schliessen, da es heftig regnete. 

Das Frühstück nehmen wir um acht ein. Währenddessen regnet es draussen. Wir verbringen anschliessend noch einige Zeit im Zimmer, da es weiterhin regnet. Plötzlich ist ein Regenbogen sichtbar, das Zeichen dafür, dass die Sonne die Oberhand gewinnt. Wir brechen auf, tragen unsere Sagoschen und Utensilien in die Tiefgarage und satteln unsere Velos. Darauf geht‘s die Ausfahrt der Tiefgarage hoch und nach draussen… und da regnet‘s kräftig. Beim Rathaus unterstehen wir, bis der Niederschlag etwas nachlässt. 

Der Start gelingt, mit vielen Rotlichtern und Richtungswechseln verlassen wir die Stadt. Und schon wieder setzt Regen ein, und zwar immer heftiger. Bei der nächsten Autobahnbrücke über den Fluss Dreisam, auf dessen linkem Damm wir fahren, unterstehen wir. Der eine und andere Radfahrer fährt an uns vorbei, ohne Respekt vor der Nässe und dem Dreck, den er beidseitig wegspritzt. Geduldig warten wir, bis der Regen etwas nachlässt. Und dann versuchen wir‘s erneut. Neun Kilometer weiter, in Bötzingen, suchen wir wegen des erneut starken Regens ein Bistro auf, wo wir die Velos in den „Schärmen“ stellen können, wärmen uns mit einem heissen Kaffee, und weil es weiter „seicht“, noch mit einem Glas Wein und einem Imbiss. Und da beginnt endlich die Sonne zu scheinen.

Nun folgen wir dem Radweg am östlichen Rand des Kaiserstuhls bis Bahlingen. Hier bewundern und fotografieren wir noch ein paar schöne Gebäude und Gassen. Dann trampen wir, selbstverständlich mit Elektrounterstützung, einen Hohlweg mit steilen Seitenwänden hoch zur Schelinger Höhe. Von da geht es rasant bergabwärts nach Bickensohl, wo wir unsere Unterkunft für die drei nächsten Nächte gebucht haben. 

Nach dem Duschen steigen wir zu Fuss noch einen engen Hohlweg hoch, um uns einen Überblick über die Gegend zu verschaffen. Dabei können wir den Gesang einer Dorngrasmücke identifizieren und einen oder ev. mehrere Bienenfresser beobachten. Nach diesem Ausflug erst löschen wir unseren Durst und geniessen danach ein feines Nachtessen (gebackene Spargeln mit einem frischen Blattsalat und gebratene Pfifferlinge mit derselben Beilage). Nun warten wir im Zimmer mit Westausrichtung auf einen spektakulären Sonnenuntergang.

Mittwoch, 23. Juni 2021: Wandertag im Kaiserstuhl

Am Morgen ist der erste Blick aus dem Fenster enttäuschend: Nebel, bedeckter Himmel, nirgends Sonne. Nach dem Morgenessen sieht die Welt schon etwas besser aus. Am Himmel zeigen sich blaue Fenster.

Heute lassen wir die Räder stehen. Zu Fuss machen wir uns auf den Bienenfresserweg quer durch das ganze Gebiet, genauer von Bickensohl nach Königschaffhausen. Dort ist eine Bahnstation, und von Breisach fährt hie und da ein Bus zurück zu unserem Standort. Die Strecke führt zuerst einige Höhenmeter in die Weinberge und wieder hinunter ins nächste Dorf und dann wieder hinauf usw. Die Weinbauern sind heute mit Spritzen ihrer Weinstöcke beschäftigt. Mit schmalen Traktoren fahren sie durch die Reihen und sprühen die Pflanzen ein. Unterwegs lesen wir unter anderem auf einem von einer Ökogruppe aufgestellten Plakat, das vor dem Aussterben der Bienen warnt. So treffen zwei Welten mit unterschiedlichen Zielsetzungen aufeinander. Unser Problem besteht aber darin, dass die Wanderwege erstens schlecht markiert und zweitens weitgehend asphaltiert sind. Trotzdem finden wir immer wieder den richtigen Weg. Zudem können wir mehrmals Bienenfresser beobachten. Diese farbenprächtigen und exotisch anmutenden Vögel sind hier glücklicherweise noch in recht grosser Zahl anzutreffen.

Je näher wir unserem Ziel kommen, desto vielfältiger sind die Arten der Nutzpflanzen. Nicht mehr ausschliesslich Reben, sondern auch Steinfrüchte wie Kirschen, Mirabellen, Zwetschgen, aber auch Kernobst und sogar ein wenig Mais werden hier gewonnen. Und die frühen Sorten der Kirschen sind bereits reif, werden schon abgelesen und in Hofmärkten verkauft. Unser Mittagessen, einfach frisch geerntete Kirschen, geniessen wir auf einer Bank hinter der Kirche von Königschaffhausen. In einem nahegelegenen Hofgarten bestellen wir uns danach einen Kaffee, und weil da gerade original Kaiserstühler Eis vertrieben wird, liegt noch ein Schwarzwaldbecher als Dessert drin.

Derart gestärkt begeben wir uns zur Bahnstation und besteigen den schon bald eintreffenden Schienenbus nach Breisach. Unterdessen hat die Sonne schon länger obsiegt über Wolken und Nebel. Bei schweisstreibender Wärme ersteigen wir den Hügel, auf dem die Kathedrale und das Rathaus thronen, sehen uns dort um und schauen hinunter auf das darunter liegende Städtchen. Beim Abstieg fällt uns auf, wie belebt der Ort ist. Die Kinder spielen begeistert auf dem Platz mit den Wasserfontänen und geniessen die wohltuende Abkühlung. Von allen Seiten erreichen Radfahrer das Zentrum und beleben das Städtchen. Die Strassencafés sind gut besetzt.

 Mit einem Landbus fahren wir anschliessend zurück zu unserem Hotel. Dank der ausgehändigten Konus-Karte können wir den ÖPV (öffentlicher Personenverkehr) gratis nutzen. Eine Dusche lässt die rund 15 Kilometer zu Fuss zurückgelegte Strecke vergessen, und die Erwartung eines feinen Abendessens das Herz höher schlagen. Ich denke, dass jetzt die Zeit gekommen ist, daran zu denken und die Schreiberei für heute abzuschliessen.

Donnerstag, 24. Juni 2021: Besteigung des Totenkopfs

Heute ist nochmals Wandertag. Nach dem Frühstück machen wir uns bereit. Kamera, Feldstecher, Wasserflasche, Regenschutz, die übrigen Kirschen von gestern werden in den Rucksack gepackt. An der Infotafel orientieren wir uns genauestens über den Weg, den wir begehen wollen. Der Lösshohlweg mit einem Abstecher zum Neunlindenturm steht auf unserem Programm. Wir haben nur einen kleinen Prospekt dazu, deshalb der Gang zur Orientierungstafel auf dem Dorfparkplatz. Nach einigem Suchen finde wir den Einstieg, und los geht‘s. In Serpentinen steigen wir einen steilen Hang hinauf und befinden uns schon mitten in einem Weinberg.

Zwischen den Rebstöcken erblickt Margrit nackte Beine, und schnell löst sich das Rätsel, zu wem sie gehören. Da ist eine junge Frau damit beschäftigt, die links und rechts aus der Reihe ragenden Äste in die senkrechte Lage zu bringt oder sie wegschneidet. Auf meine Frage , wozu das gut sei, bringt sie uns etwas Fachlatein bei. Sie bekämpfe das Toni Marshall-Syndrom, das sich bei den Rebstöcken einstellt, wenn sie schnell wachsen. Dann reichen sie sich nämlich über die Gasse hinweg die Hand. Und das ist für die Rebenpflege sehr hinderlich. Das sch… sie an. Zudem unterhalten wir uns noch etwas über die Rebsorten, die Weinkelterung und die Verarbeitungsmethoden. Wir nehmen ihren Rat mit, nach dem Grauburgunder, den wir gestern und vorgestern kosteten auch mal den Weissburgunder und den Spätburgunder zu probieren.

Unser Weg führt uns nun durch einen Hohlweg weiter bergauf und auf den Terrassen entlang exakt ausgerichteter Rebstöcke immer höher. Plötzlich entdecken wir ein Highlight für Ornithologen, nämlich Schwarzkehlchen, die sich auf den Pfosten der gespannten Drähte niederlassen. Und etwas weiter oben treffen wir während der Mittagsrast noch auf Bluthänflinge.

Nun führt unser Weg durch den Wald, wo sich Rotkehlchen, Buchfinken, Mönchsgrasmücken, Zaunkönige und Amseln einen Gesangswettkampf liefern.

Endlich haben wir den höchsten Punkt des heutigen Wandertags erreicht. Zwar passierten wir schon etwas weiter unten eine Holztafel, auf der „Totenkopf“ stand, wie der Gipfel des Kaiserstuhls laut Karte lautet. Aber nun erhebt sich vor uns der Neunlindenturm und unweit davon ein Antennenturm, der von unten weithin sichtbar ist. Wir besteigen den ersteren über eine metallene Wendeltreppe, geniessen und fotografieren die Aussicht und machen noch Bekanntschaft mit einem Schweizer Ehepaar, das von einer anderen Seite her aufgestiegen ist.

Beim Abstieg nach Bickensohl können wir noch kurz Bienenfresser beobachten und etwas später in einem Hohlweg drin zwei wunderschöne Smaragdeidechsen, die eine noch klein und wenig spektakulär gefärbt, die ander einiges grösser mit Blau gefärbtem Kopf und grünem Leib. Ein Paar machte uns darauf aufmerksam. Jetzt fehlen in unserem Palmares nur noch der Wiedehopf und dir Gottesanbeterin.

Das Abendessen ist ein wirkliches Highlight. Ich bestelle einen kleinen Beilagensalat und Nudeln mit Pfifferlingen und Gemüse. Und dieses Essen ist wirklich ein Leckerbissen. Was sich da der Küchenchef einfallen liess, ist einmalig. Verschiedene Gemüse wie Grünspargeln, Broccoli, grüne Bohnensamen, Wildspargeln wurden zusammen mit frischen Pfifferlingen und Rahm zu einem Sugo verarbeitet, der den damit vermischten Nudeln ein ausserordentlich gescmacksreiches Aroma verlieiht, das mir ausserordentlich mundet.

Freitag, 25. Juni 2021: Weiterfahrt nach Neuenburg am Rhein

Heute heisst es, wieder eine Veloetappe in Angriff zu nehmen. Nach zwei Wandertagen besteigen wir nach dem Frühstück und dem Räumen unseres Hotelzimmers unsere Velos. Da die Etappe streckenmässig kurz sein wird und wir den Wiedehopf leider bisher nicht antrafen, beschliessen wir, vorerst einen Abstecher ins bisher nicht berücksichtigte Kaiserstuhlgebiet zu unternehmen. Über Altvogtsburg trampen wir auf den Vogelpass, ohne den seltenen Vogel anzutreffen. Von da führt uns der Weg in einer rasanten Abfahrt, wo mein Tacho maximal sagenhafte 67 km/h anzeigt, hinunter nach Bötzingen und durch landwirtschaftlich vielseitig genutzte Flächen nach Breisach. Nach einer Kaffeepause fahren wir weiter rheinaufwärts im Zickzack auf beiden Seiten des Stromes nach Neuenburg am Rhein und erreichen unser Ziel nach rund 65 Kilometern.

Was uns auffällt, ist der Umstand, dass auf der deutschen Seite des Rheins viel mehr Leute, speziell ältere Semester, unterwegs sind als auf der französischen Seite. Hier wirken die Dörfer wie ausgestorben, ohne Einkaufsläden und ohne Restaurationsbetriebe. 

In Neuenburg können wir gleich die Velos unterstellen, die Akkus ans Netz anschliessen und unser Zimmer beziehen. Nach dem Duschen begeben wir uns in die Fussgängerzone, wo ein Riesenbetrieb herrscht. Es ist Freitagnachmittag, Feierabend, Wochenendstart, und die Menschen treffen sich in zwei einander gegenüberliegenden Eisdielen, die beide eine grosse Anzahl Tische und Stühle auf die freien Fläche hinausgestellt haben. Um zu seiner Konsumation zu kommen, muss man anstehen. Die Kinder nutzen die offenen wasserführenden Kanäle auf der Strasse für ihre Schabernacke. Wir geniessen hier ein kühlendes Getränk und ergänzen unseren Flüssigkeitsbedarf. Anschliessend gehen wir in einem Restaurant etwas essen, bleiben bei einem Weinschorle sauer (für Margrit) und einem Schwarzwaldbecher (für mich) noch etwas sitzen. Morgen steht uns eine längere Etappe bevor.

Samstag, 26. Juni 2021: Weiterfahrt nach Bad Säckingen

Um acht sind wir bereit fürs Frühstück, und die Sagoschen sind weitgehend gepackt. Wir haben uns für heute einiges vorgenommen, denn die nächste Unterkunft ist in Bad Säckingen gebucht. Wir besteigen unsere Alu-Rösser und ab geht die Post. Aber wohin? Steinenstadt ist das nächste Ziel, aber kein Fahrradwegweiser weist diesen Namen auf. Alle zeigen in die falsche Richtung. So fahren wir gefühlsmässig in die richtige Richtung und gelangen in ein Industriegelände mit lauter Sackgassen und Ringstrassen. Nun heisst es halt, sich bei den Einheimischen zu informieren. So bekommen wir den Tipp, eine Strasse hinunterzufahren, die ein Stück weiter unten gesperrt ist. Wir umfahren die Sperre und missachten das Fahrverbot, die Strasse ist schmutzig und weist viele Schäden auf. Dann kommt nochmals eine Sperre, und nun befinden wir uns auf dem Rheinradweg Richtung Schweiz. Wir erreichen nun problemlos Steinenstadt und stellen uns auf das nächste Ziel ein, Schliengen. Wir nähern uns rechtwinklig der Eisenbahnlinie Freiburg-Basel und sehen, dass hier gewaltige Erdverschiebungen stattgefunden haben. Es wird offenbar der dritte und vierte Schienenstrang gebaut. Hier werden wir Richtung Norden umgeleitet, bis eine neu gebaute Brücke die Schienen überquert. Dabei liegt Schliengen exakt auf der anderen Seite der Bahnlinie. Rund 3,5 km werden wir Richtung Norden umgeleitet. Und diese Strecke müssen wir auf der anderen Seite des Geleises wieder zurück fahren. 

In Schliengen besuchen und bestaunen wir kurz das Wasserschloss Entenstein, das nicht mehr im Wasser steht und als Rathaus dient.

In einem Hofladen kaufen wir uns ein Pfund frische Kirschen, die wir als Mittagsverpflegung im Stadtpark von Lörrach verspeisen. Von dort unten können wir die Burgruine Rötteln bewundern, die sich majestätisch hoch über der Stadt erhebt. In Rheinfelden stossen wir wieder auf den Rhein. Im Garten des Schlosses Beuggen geniessen wir einen Kaffee, Margrit einen Milch- und ich einen Eiskaffee. So gestärkt nehmen wir die letzten Kilometer bis nach Bad Säckingen unter die Räder. Zu unserem Hotel müssen wir zum Abschluss noch einen happigen Aufstieg überwinden, was dazu führt, dass mein Akku aussteigt und ich die letzten paar Meter mit eigener Muskelkraft schaffen muss.

Nach dem Duschen geht‘s hinunter ins Städtchen, wo wir zuerst den Flüssigkeitspegel wieder anheben und darauf den Hunger in einem griechischen Restaurant stillen. Zum Abschluss geniessen wir noch einen Drink am Rheinufer nahe der alten Holzbrücke, die in die Schweiz führt. Und da trifft per WhatsApp ein Foto von der Altstadt Waldshuts ein, gesandt von Schwägerin Steffy und meinem Bruder Urs, die sich zurzeit dort auf dem Camping aufhalten. Schnell wird telefoniert und für morgen ein Treffen abgemacht. 

Danach steigen wir hoch zu unserem Hotel. Nun läuft im Fernseher der Match Österreich gegen Italien, während ich schreibe.

Sonntag, 27. Juni 2021: Heimfahrt

Schon um halb acht sind wir beim Morgenessen. Heute steht ein langer Tag bzw. eine lange Fahrt vor uns. Um neun sollen wir laut Abmachung in Waldshut auf dem Camping sein, wo Bruder Urs und Schwägerin Steffy uns erwarten. Allerdings können wir den Fahrplan nicht ganz einhalten. Bis wir dann wegfahren können wird es Viertel nach acht und 25 km Fahrt stehen uns bevor. Wir kommen zügig voran. In Albbruck telefonieren wir, dass wir später dran sind. Gerade danach verpassen wir den Wegweiser und landen auf der Haupstrasse. Wir kommen darauf schnell vorwärts, aber der Sonntagmorgenverkehr ist schon recht dicht. So treffen wir mit halbstündiger Verspätung bei unseren Lieben ein und werden dort freudig in Empfang genommen. Gipfeli und Kaffee stärken uns für die verbleibenden rund 100 km. Zudem darf ich meinen Akku mit Sonnenenergie vom Wohnmobildach aufladen. Damit sind wir gewappnet.

Nun geht die Reise weiter über die Brücke nach Koblenz und nach einigen Meinungsverschiedenheit bezüglich Wegweisern und Wegwahl weitgehend der Aare entlang bis einige Kilometer vor Aarau. Wir sind zügig unterwegs, dafür gibt es keine Fotos. In Rupperswil ist bei uns wieder Unsicherheit bezüglich Routenwahl vorhanden, da Rad-Wegweiser fehlen. Ein freundlicher Freizeit-Radfahrer anerbietet sich auf Nachfrage, uns ein Stück vorauszufahren und erklärt uns danach den weiteren Verlauf. Auf der Friedhofstrasse durch einen grossflächigen Wald, dadurch schön im Schatten fahrend, erreichen wir schliesslich Suhr. Dort machen wir einen Zwischenhalt, um unseren Flüssigkeitsbedarf aufzutanken. Den Suhre-Radweg kennen wir von früheren Gelegenheiten und vom Hinweg gut. Ohne Zwischenhalt erreichen wir nach rund 115 km Fahrt, mit mehr oder weniger verspannten Nacken und schmerzenden Hintern unser Zuhause, wo Dusche und Salbe uns wieder in einen entspannten Zustand versetzen.

Das Abendessen geniessen wir im Seeland Sempach, wo ein reichhaltiges Salatbuffet zur Verfügung steht und wo wir frei wählen können, was uns mundet. Dazu geniessen wir einen kühlen Oeil de Perdrix. Wir schaffen es, als es gewittrig wird, rechtzeitig nach Hause zu eilen und erreichen unsere Wohnung kurz bevor es richtig zu regnen beginnt.

Ein ereignisreiche, anstrengende und eindrucksvolle Reise ist zu Ende. Jetzt heisst es, diese Eindrücke zu vertiefen. Die Bilder dazu werden nach und nach in diesen Bericht einzufügen.

 

 

 

 

2 Kommentare

  1. iréne sagt:

    Das esch jo unglaublich, wie fit Ehr send und wos Euch döre zieht. Wünsche Euch veli schöni Erlebnis, mis Chneu chönnt so öppis nie mache. Das werd mini nächschti OP,

  2. Annemarie + René sagt:

    Send ehr eigentlich wägem velofahre oder wäge de Coups im Schwarzwald? LG ond Gueti Weiterfahrt. A + R

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