Zu Fuss von Chepstow an der Severnmündung nach Prestatyn an der Irischen See
Am 17. August 2012 fliegen Margrit und ich von Genf nach Bristol, mit Sack und Pack, voll ausgerüstet zum Wandern, genügend Wäsche und Kleider im Rucksack. Gebucht ist unser erster Hotelaufenthalt in Chepstow und der Rückflug von Liverpool zurück nach Genf. Schnell finden wir den Busbahnhof und den Bus, der uns nach Chepstow bringt. Allerdings macht das Wetter nicht mit, so dass wir die erste Etappe von der Severnmündung nach Chepstow auslassen und uns lieber in den zahlreichen Pubs umsehen und uns geistig auf den „Mordsmarsch“ vorbereiten.
Am nächsten Morgen beginnt unser Abenteuer. Nach einer lauten Nacht im Städtchen – schliesslich ist es Freitagabend und die Leute haben am Samstag frei – machen wir uns bei grau verhangenem Himmel frühzeitig auf den Weg.
Gegen Abend erreichen wir Monmouth und finden auf Anhieb eine Unterkunft im Ebberley House, wo wir freundlich empfangen und am nächsten Tag zum Breakfast reich bewirtet werden.
Am nächsten Morgen verlassen wir Monmouth über die Monnow-Bridge. Wir kommen zum White Castle und dann geht es weiter Richtung unser heutiges Tagesziel Pandy. Heute haben wir hie und da mit den Tücken der Wegmarkierungen zu kämpfen, denn nicht immer ist der Weg klar gekennzeichnet, so dass wir uns zwei-, dreimal verlaufen. Über Zäune zu klettern und Gräben zu überspringen lernen wir schnell. Jedenfalls erreichen wir Pandy gegen Abend und finden dort problemlos eine Unterkunft.
Nun ändert sich die Landschaft. Nach einem steilen Aufstieg gelangen wir auf einen Höhenweg durch die Black Mountains. Wir wandern jetzt nicht mehr durch Felder und Weiden, sondern durch Heidelandschaft. Links und rechts wachsen Erika, Heidelbeeren und Stechginster.
Ein absoluter Hit ist der Hay Bluff, die Erhebung oberhalb Hays. Die Sicht ist fantastisch, die Landschaft liegt uns zu Füssen. Müde erreichen wir Hay-on-Wye und übernachten in Kilverts Hotel.
Anderntags treffen wir beim Aufstieg auf den nächsten Hügel einen Vater mit seinem jugendlichen Sohn. Sie fotografieren uns, wir sie.
Am nächsten Tag verirren wir uns auf eine Bullenweide. Zwar machen uns die Tiere kurz etwas Angst, verlieren dann aber schnell das Interesse an uns. Mittagsrast machen wir in Newchurch auf dem Friedhof. Dort hat die Kirchgemeinde einen Tisch mit Bänken hingestellt. In der Kirche steht zudem ein Tisch mit verschiedenen Getränken und Biscuits. Wanderer können sich hier bedienen und einen kleinen Obolus hinterlassen.
Im weiteren Verlauf unserer Wanderung treffen wir auf den Gedenkstein, der an das Werk von König Offa erinnert. Allerdings zweifeln die Gelehrten an seiner Echtheit. Einen weiteren Stopp machen wir in Knighton.
Auf unserer nächsten Etappe von Knighton nach Newcastle-on-Clun lassen wir uns durch eine neue Wegmarke „verführen“. Statt der Marke mit der Eichel folgen wir einer Marke mit einem Porträt von König Offa. Das kostet uns zwischen ein und zwei Stunden Mehrweg. Den Irrtum bemerken wir erst, als wir praktisch im Sumpf landen, was uns zu Studium der Karte animiert. Nun heisst es, auf den richtigen Weg zurück finden, ohne die ganze falsch gelaufene Strecke wieder zu machen. Das gelingt uns nach intensivem Kartenstudium und dem Einsatz von Kompass und Höhenmeter sowie der freundlichen Mithilfe eines Einheimischen. So beschliessen wir, bereits in Newcastle zu übernachten und reservieren uns ein Zimmer aus unserem Führer telefonisch.
Heute können wir uns gratulieren: Wir haben die Hälfte des Pfads geschafft!
Dafür folgt ein anderer Schreck. In Montgomery suchen wir uns eine Unterkunft. Sogar Einheimische helfen uns suchen. Aber da ist einfach nichts zu machen. Der Freitag ist Bankholiday-Beginn! Da auf dem Land eine Unterkunft zu finden, ist scheinbar ein Ding der Unmöglichkeit. Wie wär’s, mit dem Bus in die nächste Ortschaft zu fahren? Aber der verkehrt auch nicht. Ein Taxi nehmen! Die angegebene Telefonnummer ist ungültig. Also dann, da bleibt nichts anderes als zu Fuss zu gehen. Die Wolken sind schwarz, erste Tropfen fallen vom Himmel, und vor uns liegen noch 4 Meilen. Da haben wir Glück: Am rechten Strassenrand steht ein Schild „B&B“. Und da ist dann wirklich noch ein Zimmer frei. Nass und schmutzig geniessen wir den Begrüssungstee und dann die warme Dusche.
In Oswestry erinnert das Denkmal eines Schafzüchters an die landwirtschaftliche Nutzung des Umlandes.
Für den nächsten Tag ist intensiver Regen angesagt. Wir beschliessen, den Bus nach Chirk zu nehmen. Aber es ist immer noch Bank Holiday, und da verkehren halt keine Busse. Vom Taxi lassen wir und zur alten Pferderennbahn von Oswestry fahren. Ab hier wandern wir im Regen weiter. Die Engländer sind sich aber offensichtlich an solche Verhältnisse gewöhnt, denn unterwegs treffen wir einige Wandernde. So gelangen wir in wenigen Stunden nach Chirk, wo wir, nachdem der Regen etwas nachgelassen hat, noch einen Rundgang machen und den Aquädukt und die Eisenbahnbrücke bestaunen.
Die zweitletzte Etappe, sozusagen die Königsetappe, von Llandegla nach Bodfari steht uns bevor. Hier geht es durch pure Natur von Gipfel zu Gipfel. Allerdings müssen wir dazu nicht klettern, da die Berge doch einiges weniger hoch und steil sind als bei uns zu Hause. Aber anstrengend ist es dennoch. Der Regen zwingt uns immer wieder, unsere Pellerinen anzuziehen. Durch wunderschöne Heidelandschaften, vorbei an Steinmauern und rund gewölbten Hügeln gelangen wir relativ spät ans Ziel.
Wie finden wir jetzt unser am Morgen reserviertes Zimmer? Ein Telefon genügt, und wir werden freundlicherweise am Weg per Auto von unserer Gastgeberin abgeholt. Nach dem Duschen führt uns ihr Mann in die Ortschaft zurück, wo wir neben dem Totengräber unser Nachtessen im Pub geniessen. Übrigens ist der Ruf der englischen Küche bei uns schlechter als sie wirklich ist. Praktisch überall werden wir mit Frischprodukten verwöhnt, und die Speisen sind köstlich zubereitet.
Die letzte Wanderetappe, führt uns zu unserem Ziel, Prestatyn an der Irischen See. Zum letzten Mal geht es durch Weiden, über Stiles und durch sumpfiges Gelände zu Fuss dem Zielstein entgegen. Im Kaffee an der Küste tragen wir uns ins Gästebuch ein, und dann wird mit einem holländischen Single-Wanderer noch etwas gefachsimpelt, bevor wir uns auf Zimmersuche begeben. Es klappt auf Anhieb. Uns stehen noch drei Tage Aufenthalt in England bevor. Wir nutzen sie, indem wir nach rund 300 km Fussmarsch noch etwas den Strand geniessen. Immerhin können wir aber ein paar wenige Robben und Tausende von Möwen beobachten. Aber bei dem hier herrschenden Wetter ist das wirklich kein Genuss. Und so entschliessen wir uns, Chester noch einen Besuch abzustatten und dort noch einmal zu übernachten, bevor wir von Liverpool zurück in die Schweiz fliegen.