Freitag, 5. Juni 2015: (Sempach-Neuenkirch) – Basel – Sasbach (82 Velo-km)
Erst nach dem werktäglichen Morgenrush besteigen wir mit unseren vollbepackten Velos die S-Bahn nach Sursee und steigen da in den Interregiozug nach Basel.
Mit den ungewohnt schweren Fahrrädern schaffen wir’s, durch den Stadtverkehr auf die rechte Rheinseite zu gelangen. Der erste Abschnitt dem Rhein entlang bis in die Gegend des Rheinhafens ist gemütlich zu fahren. Der nächste Abschnitt über den Zoll und durch Weil am Rhein führt entlang stark befahrener Straßen und über Umleitungen. Aber dann ist endlich der Rheinradweg erreicht. Zu Beginn gibt’s auch da noch Umleitungen, aber dann können wir weite Strecken auf dem gut befahrbaren Damm zurücklegen. In den Wäldern und an den Rändern sind unzählige Vögel wie Amseln, Mönchsgrasmücken, Zaunkönige und viele andere am Konzertieren. Zwischendurch ist auch mal eine Nachtigall zu hören. Im Wasser schwimmen stolze Schwäne, viele Stockenten, Blässhühner und zwischendurch eine Pfeifente und ein Kanadagänsepaar. Und heiß ist es. Uns läuft der Schweiß nur so herunter.
Problemlos erreichen wir unser am Morgen gestecktes Ziel, Sasbach, und finden im Gasthaus Engel eine tipptoppe Unterkunft, eine erfrischende Dusche, ein kühles Bier und ein Weißweinschorle.
Samstag, 6. Juni 2015: Sasbach – Freistett (92 km)
Wir verlassen Sasbach nach einem energiereichen Frühstück und fahren unmittelbar am Rheinufer auf einem Naturweg Richtung Nordosten. Wir folgen dem Weg nach Weisweil und Rheinhausen und wählen die Variante über Rust. Hier machen wir einen Fotohalt und schauen uns den bekannten Freizeitpark von außen an. Verschiedene Cars fahren vor und entlassen Kinder und Jugendliche ins Freizeitvergnügen. Wir aber kaufen uns unser Picknick und fahren weiter. In einem Baggersee zwischen Rust und Kappel genehmige ich mir ein erfrischendes Bad, denn schließlich ist es sehr warm und Schwimmen im kühlenden Wasser weckt die Lebensgeister. Bei der Fähre nach Rhinau treffen wir wieder auf den Rhein und fahren weiter dem Uferweg entlang. Vor Meißenheim ist der Rheinweg wegen Bauarbeiten gesperrt, und wir werden in das Dorf umgeleitet. An einem lauschigen Plätzchen in Meißenheim machen wir eine kurze Mittagspause und genießen unser Picknick. Unser Weg führt uns durch Ichenheim zurück auf den Rheinweg. Wir folgen ihm über Kehl hinaus. Unsere heutige Fahrt endet in Freistett, wo wir im roten Ochsen unser Nachtquartier finden.
Sonntag, 7. Juni 2015: Freistett – Wörth am Rhein (72 km)
Zeitig am Morgen stehen wir auf, machen Toilette, packen unsere Sachen und gehen frühstücken. Gestärkt beladen und besteigen wir unsere Drahtesel und finden sehr schnell den Einstieg in den Radweg Richtung Karlsruhe. Aber heute steckt der Wurm drin. Schon bald macht uns ein immer stärker wehender Gegenwind Mühe und hindert uns am zügigen Vorwärtskommen. Zwar sehen und bewundern wir immer wieder prächtig blühende Felder, hören vielfältigen Vogelgesang und entdecken uns besonders erscheinende Vögel. Aber so richtig vorwärts schaffen wir es einfach nicht auf dem rechtsseitigen Rheindamm. Zudem macht sich heute bei uns beiden schon bald der Allerwerteste unangenehm schmerzend bemerkbar.
Unterwegs kommen wir mit zwei älteren Herren ins Gespräch. Sie raten uns, auf die französische Rheinseite zu wechseln, da drüben die Wege für Radfahrer besser angelegt sind. So wechseln wir kurz vor Iffezheim die Rheinseite. Da kurz nach der Bewältigung der Brücke uns ein Radfahrverbot Einhalt gebieten, daneben aber eine Gemischtverkehrsstrasse verläuft, entschließen wir uns, unser Gepäck abzuschnallen und es sowie die beiden Velos über die trennende Leitplanke und den kleine Graben zu heben. Dort bepacken wir die Velos wieder und fahren weiter. Für uns ist dieser Wechsel wirklich lohnenswert, die Fahrt abwechslungsreicher und die Kraft des Windes wird in den Waldpartien vermindert.
Nun gibt es aber ein neues Problem: Kurz vor der Mittagspause beginnt mein Vorderpneu offensichtlich Luft zu verlieren.
Essenspause machen wir im Sauerdelta bei Munchhausen. Danach überprüfe ich die Härte meines Voderpneus. Er ist noch weicher geworden. Kurzentschlossen montiere ich das Rad ab, hebe mit Hilfe der Flickwerkzeuge den Mantel einseitig von der Felge ab und nehme den Schlauch heraus. Aufgepumpt und ins Sauerwasser getaucht treten an einer Stelle Bläschen aus und steigen an die Wasseroberfläche. Da kann ich den mitgeführten, unversehrten Schlauch zwischen Felge und Mantel legen, den Mantel auf die Felge aufziehen, den Schlauch aufpumpen und das Rad wieder montieren. Das Fahrrad ist wieder fahrbereit. Aber Zeit hat es gekostet.
Wir fahren danach noch bis Wörth, finden dort fast problemlos eine Unterkunft, duschen, machen uns frisch und gehen zu Fuß zum Bahnhof. Dort besteigen wir den Zug nach Karsruhe, wo wir einen Besichtigungsspaziergang machen. Vom Hauptbahnhof geht es durch den Stadtpark zum Schlossplatz. Dort genehmigen wir uns ein feines Nachtessen, natürlich Maultaschen und dazu badischen Riesling. Durch verschiedene Straßen, vorbei an Budesgerichtshof und Postgebäude, erreichen wir wider den Bahnhof, wo wir den Zug zurück nach Wörth besteigen.
Heute Abend finden wir sicher leicht den Schlaf.
Montag, 8. Juni 2015: Wörth – Mannheim (82 km)
Nach einem ausgiebigen Morgenessen machen wir uns schon bald auf den Weg. Der Himmel ist bedeckt und es ist kühl. Wir kommen schnell voran, obschon wir unterwegs noch ein Kanadagänsepaar mit vier Jungen, mehrere Störche, wovon einer mit zwei Jungen im Nest, vier Nilgänse in einem Spargelfeld und ein Reh, das wenige Meter vor uns auf den Radweg springt, beobachten.
Da es kühl ist, beschließen wir, in Germershausen in ein Café zu gehen und dort etwas Warmes zu trinken. Irgendwie verpassen wir aber die Abzweigung ins Zentrum und fragen einen älteren Radfahrer nach dem Weg. Hilfsbereit fährt er uns voraus, und so laden wir ihn zu einem Kaffee ein, was er bereitwillig annimmt. Unterdessen beginnt es zu regnen. So sitzen wir gemütlich in einem schönen Lokal, lassen uns von unserem Gast Erlebnisse auf seinen Südamerikareisen erzählen und genießen es, dass es genau jetzt regnet.
Obschon der Regen länger anhält, beschließen wir, weiter zu fahren und verabschieden uns vom freundlichen Radfahrer. Da es nur ganz fein regnet, verzichten wir auf Regenschütze, da diese beim Fahren hinderlich sind. Und nun hört es auch auf zu regnen.
So erreichen wir Speyer, die alte Krönungsstadt der Deutschen Kaiser kurz nach zwölf. Der Dom imponiert mächtig. Da das Wetter windig und der Himmel bedeckt ist, beschließen wir, uns in einem warmen Restaurant zu verköstigen.
Am Nachmittag fahren wir bei Gegenwind weiter und erreichen Mannheim, nachdem wir mit der Fähre von Altrip übersetzt haben. Allerdings verpassen wir dann eine Abzweigung und machen noch einen großen Bogen um die Stadt. Mit einigem Nachfragen finden wir eine geeignete Unterkunft, wo wir duschen, uns frisch machen und anschließend noch zu einer Kurzbesichtigung der Stadt aufbrechen.
Dienstag, 9.Juni 2015: Mannheim – Nackenheim (79 km)
Der heutige Velotag beginnt recht stressig. Nach einem reichhaltigen Frühstück machen wir uns auf den Weg Richtung Konrad-Adenauer- Brücke. Die Radfahrer sind losgelassen. Von allen Seiten kommen sie, kreuzen uns, reihen sich in den Verkehrsfluss ein, überholen uns und geben bereitwillig Auskunft, wenn wir nicht mehr weiter wissen. So gelangen wir mit wenigen Irrfahrten aufs andere Rheinufer nach Ludwisburg. Dort heißt es, bei großem Verkehrsaufkommen sich durch die immensen Industrieanlagen, speziell von BASF, zurecht zu finden, was uns mit der Unterstützung durch Einheimische letztlich gelingt. Auf einem Parkplatz von BASF sehen wir, warum so viele Radfahrer unterwegs sind: Da stehen Hunderte von genau gleich aussehenden, rot gespritzten Zweirädern. Sie unterscheiden sich einzig durch die Gepäckträger.
In Worms machen wir einen Zwischenhalt und besuchen den Kaiserdom St. Peter.
Auch heute heißt es kämpfen, denn in den meisten Passagen weht uns ein starker, böiger Nordostwind entgegen. Irrtümlicherweise landen wir bei der Fähre nach Gernsheim, wo wir unsern Irrtum ausbügeln, indem wir in der Golfplatz-Gaststätte Mittagsrast mache. Danach werden wir nach Guntersblum und anschließend durch die Rebberge umgeleitet, da der Rheindammweg wegen Bauarbeiten nicht befahrbar ist. So beschließen wir am Ende dieser Umleitunsstrecke, in Nackenheim zu bleiben und finden auf Anhieb eine günstige Unterkunft. Dieses Nackenheim ist ein wunderschönes Städtchen mit vielen Weingütern. Wir kosten einen roten Dornfelder, und der schmeckt vorzüglich.
Mittwoch, 10. Juni 2015: | Nackenheim – Mainz (15 km) |
Schifffahrt Mainz – Boppard | |
Boppard – Andernach (47 km) |
Kurz vor halb sieben verlassen wir unser Hotel und fahren zur nächsten Bäckerei, wo wir fein frühstücken. Darauf fahren wir weiter nach Mainz, das wir auf einigen Umwegen erreichen, da Velowege offenbar grundsätzlich so geführt werden, dass der Radfahrer alle Sehenswürdigkeiten bewundern, alle Verköstigungsunternehmen berücksichtigen und eventuelle Unterkunftsmöglichkeiten begutachten kann.
Am Rheinufer in Mainz stehen schöne weiße Personenschiffe bereit, die tagsüber Rhein auf- und abwärts verkehren und so früh am Morgen auf Passagiere warten. Wir nutzen die Gelegenheit und erkundigen uns am Ticketschalter über Zielorte und Fahrpreise. Kurze Beratung und der Entschluss ist gefasst: Wir fahren mit der KD (Köln-Düsseldorfer) nach Boppard.
Es bleibt uns noch eine knappe Stunde, um uns in Mainz umzusehen. Wir wählen den Dom als Besichtigungsobjekt und lassen uns von den gigantischen Ausmassen dieses in die Romanik zurückreichenden Bauwerks beeindrucken.
Anschließend besteigen wir mit unseren Velos das Schiff, das pünktlich ablegt und seine Fahrt Rhein abwärts in Angriff nimmt. Vorbei an geschichtsträchtigen und sagenumwobenen Orten fahren wir Richtung Boppard. Ein Sprecher erläutert die Sehenswürdigkeiten in mindestens fünf verschiedenen Sprachen, und die fotografierenden Touristen bannen die Dinger auf ihre Speicherkarten. Jedenfalls ist die Fahrt sehr abwechslungsreich. Natürlich wird auch das Loreley-Lied von Heinrich Heine und Friedrich Silcher abgespielt.
Kurz vor eins legt das Schiff am Ziel an. Von nun an heißt es wieder die eigenen Kräfte wirken zu lassen. Gestärkt mit Rheinwein und einem Kölsch nehmen wir diese Herausforderung an uns schwingen uns aufs Rad. Unser Ziel ist es, über Koblenz hinaus zu kommen.
Nach einigen Anlaufschwierigkeiten in dem großen Rheinbogen nach Boppard, sprich Gegenwind, läuft es uns wie geschmiert. Wir kommen phänomenal vorwärts und legen nur zwei Stopps ein zum Fotografieren. Einmal ist die Landschaft der Grund, ein zweites Mal eine ganze Nilgansfamilie.
Der nächste Halt findet beim Deutschen Eck statt, wo die Mosel in den Rhein fließt und ein monumentales Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. steht. Für mich gibt es hier ein Eis, Margrit begnügt sich mit Studentenfutter. Die letzten paar Kilometer nach Andernach schaffen wir mit Unterstützung des Windes mit Leichtigkeit und finden auf Anhieb ein gutes Hotel mit sehr freundlicher Bedienung. Nach der üblichen Instandstellung unserer Körper ergänzen wir die verloren Flüssigkeit in Form von Weißweinschorle und Bier aus der Region. Und vor dem Nachtessen schauen wir uns den Ort zu Fuß noch etwas an.
Donnerstag, 11. Juni 2015: Nackenheim – Köln (82 km)
Heute gibt es erst um acht Uhr Frühstück, so sind wir etwas später dran. Wir kommen aber schnell in Fahrt: Das Wetter ist prächtig und der Wind meint es mehrheitlich gut mit uns. Wir kommen zügig voran.
In Remagen stehen auf beiden Seiten noch die Brückenköpfe des Rheinübergangs, den die amerikanischen Truppen im März 1945 benutzten, um den Rhein zu überqueren, also ein historischer Ort. Heute besteht hier zur Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse von 1945 ein Friedensmuseum. Wir gehen allerdings nicht hinein.
In Bonn machen wir Mittagspause. Ich gehe auf dem Markt u.a. frische Erdbeeren und Kirschen kaufen, während Margrit am Rheinufer wartet. Dann picknicken wir zusammen im Schatten auf einer Bank. Eine weitere Pause schalten wir in einem Café bei der Fähre nach Mondorf ein.
Darauf geht’s im Eilzugtempo auf Köln zu, das wir ca. um 15 Uhr erreichen. Dort gehen wir direkt zu Touristeninformation und bekommen ganz nahe ein gutes und günstiges Hotel zugewiesen. Allerdings können wir da die Velos nicht einstellen, so dass wir sie am Bahnhof bei der Fahrradstation einstellen müssen. Diese Prozedur läuft schnell und unkompliziert ab, so stehen wir schon bald unter der Dusche und können darauf in einem Straßencafé das erste Kölsch trinken, nach der heißen Radfahrt eine angenehme Form des Flüssigkeitsausleichs. Wir besichtigen den imposanten Dom und genießen später unser Nachtessen in der Fußgängerzone in einem Strassenrestaurant.
Freitag, 12. Juni 2015: Köln – Alsdorf (93 km)
Keine Fotos vorhanden, da es immer wieder regnete!
Nach dem Frühstück packen wir unsere Sachen in Sagoschen, Rucksack und Lenkertaschen, füllen unsere Flaschen mit frischem Wasser und fahren damit mit dem altertümlichen Hotellift hinunter in die Rezeption. Wir stellen unser Gepäck in das speziell ausgestattete Kämmerlein und gehen zur Velostation beim Bahnhof, wo wir unsere Velos unbeschädigt herauslösen. Weiter geht es nun zurück zum Hotel, Gepäck aufschnallen und Start in die Ungewissheit. Das Radwegsystem ist zwar gut durchdacht, aber irgendwie funktioniert es doch nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe. Es gibt in der Landschaft verstreute Infopunkte mit einer Nummer und einer geografischen Karte mit einem Ausschnitt der Region. Wegweiser mit der entsprechenden Nummer, mit einem Nahziel und einem Fernziel versehen stehen am Weg. Nun fehlt aber plötzlich wieder eines der Ziele oder die Nummer oder dann ist der Infopunkt irgendwo hinter einem Busch versteckt oder irgendein Spaßvogel hat die Wegweiser gedreht. Jedenfalls fahren wir immer wieder falsch und machen große Umwege. Und so erreichen wir halt unser vorgenommenes Ziel nicht.
Wir brechen unsere Fahrt in Alsdorf ab, nachdem wir längere Zeit unter einem schützenden Dach verbracht haben, und suchen dort ein Hotel, was sich als nicht ganz einfach erweist. Da es noch immer ums Regnen herum macht, wären wir froh, ein Dach über dem Kopf zu haben. Der erste Tipp eines Einheimischen erweist sich als falsch, da dieses Haus geschlossen ist. Der zweite Tipp trifft ebenfalls nicht zu, da hier Wohnungen sind, aber kein Hotelbetrieb. Eine dritte und vierte befragte Person geben dann die entscheidenden Tipps. Die freundliche Rezeptionistin beeilt sich dann, so dass wir und unsere Velos gerade vor dem Einsetzen eines heftigen Gewitterregens unter Dach sind. Sie gibt uns auch die Adresse eines kleinen italienischen Restaurants an, wo wir ein feines Nachtessen genießen.
Samstag, 13. Juni 2015: Alsdorf – Maastricht (54 km)
Heute gehen wir in einer Bäckerei frühstücken, da im Hotel erst ab neun Morgenessen bereitgestellt wird. Es regnet, zwar ganz leicht, aber stetig, und der Regen nimmt zu. Wir folgen wieder mal schön den Wegweisern. Das niederländische Kerkrade, das wir als erstes anfahren wollen, steht auch auf dem Wegweiser. Die immer wieder auftauchenden Schilder, dass wir uns auf dem Radweg befinden, bestärken uns in der Annahme, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Es geht hinauf, durch den Wald, auf Natursträsschen, wieder hinunter. Es regnet immer stärker, was wir im Wald nicht bemerken. So suchen wir, als wir aus dem Wald kommen, einen Unterstand und finden ihn in Form eines Bushäuschens. Wie der Regen etwas nachlässt, fahren wir weiter. Es geht ganz schön bergab, und dann sind wir beim nächsten Infopunkt. Da steht aber nichts mehr von Kerkrade. Ein vorbeikommender Spaziergänger mit zwei Hunden erklärt uns den Weg: Es geht wieder ziemlich weit aufwärts, und dabei hätten wir das alles in viel kürzerer Zeit machen können. Und es regnet immer noch. Ab diesem Zeitpunkt geht es aber mit unserer Moral wieder aufwärts, denn wir erreichen jetzt unser Zwischenziel. Übrigens ist hier spannend, dass die Häuser auf der einen Seite der Neuen Straße auf deutschem, die auf der anderen Seite auf niederländischem Boden sind.
Leider müssen wir aber schon bald wieder unterstehen und kommen dabei mit einer älteren Frau ins Gespräch, die sich bitter über die Politik in ihrem Land beklagt. Sie spricht von Rentenkürzungen und der unheilvollen Personenfreizügigkeit, die einerseits für diese Maßnahme verantwortlich sei, andererseits aber auch eine steigende Kriminalität und Unsicherheit mit sich bringe.
Nachdem sich dann endlich gegen Mittag die Sonne zeigt und wir unsere Regenschütze versorgen können, treffen wir in Oud Valkenburg ein. Da befindet sich ein wunderschönes Schloss mit einem Gartenrestaurant. Wir trinken und essen hier etwas und lassen uns unsere vom kühlen Regen steif gewordenen Glieder trocknen und aufwärmen.
Jetzt geht es eigentlich recht zügig Richtung Maastricht. Allerdings bremst uns noch eine ziemlich heftige Steigung nach Berg hinauf. Mit kräftigem Seiten- und Gegenwind erreichen wir unseren heutigen Übernachtungsort Maastricht und finden erst nach einigem Suchen und nach Absagen ein Hotel.
Sonntag, 14. Juni 2015: Maastricht – Brüssel (124 km)
Da heute das Morgenessen im Hotel bereits ab sieben serviert wird, nutzen wir die Gelegenheit. Denn am Morgen weht der Westwind gemäß Wetterbericht noch moderat, am Nachmittag ist stärkerer Wind angesagt. So machen wir uns bei gutem Wetter und guten Bedingungen auf den Weg. Die Ausfahrt aus der Stadt haben wir auf Google Maps gut studiert und finden die richtigen Wege auf Anhieb. Nun folgen wir dem Prinz Albert Kanal zuerst Richtung Norden und dann Richtung Westen. Wir kommen gut voran und verlassen die Kanal-Route kurz nach der Passage durch Hasselt. Von da an klemmt es aber mit den Veloweg-markierungen. Da die N2 einen gut markierten und vom motorisierten Verkehr klar getrennten Radstreifen aufweist, verwenden wir diesen und kommen so gut voran. Kurz vor Diest picknicken wir und fahren darauf weiter. Ab Diest ist aber der Radstreifen unmittelbar neben dem Fahrstreifen des motorisierten Verkehrs gelegen, und die vorbei fahrenden Autos nehmen zu. In Leuwen wählen wir den Veloweg Richtung Brüssel und stossen auf eine Besonderheit. Auf einem vertäuten Frachtschiff befinden sich Tische und Bänke an Deck, ein Steg zum Schiff ist montiert, am Ufer stehen viele Räder und überall sitzen und stehen Leute und lutschen Eis. Clevere junge Leute haben hier ein Eiscafé eröffnet, und das scheint bei den älteren Semestern und bei den Jungen anzukommen. Der rege Besuch bestätigt diese Annahme. So kann ich nicht widerstehen und kaufe mir auch ein Eis und Margrit einen Espresso.
Eigentlich dachten wir im Voraus daran, in Leuwen oder Umgebung zu übernachten. Aber dazu ist es wirklich noch zu früh, und so fahren wir weiter. Aber diese Weiterfahrt gestaltet sich unerwarteterweise schwieriger als gedacht, denn der Wind meint es gar nicht gut mit uns. So fordern die letzten paar km unser Durchstehvermögen. Schließlich schaffen wir es dann doch noch unsere Unterkunft bei unserem Neffen zu erreichen. Todmüde, aber total zufrieden mit dem Tagesergebnis stellen wir uns unter die Dusche, erfrischen uns und besuchen noch ein Restaurant mit belgischen Spezialitäten, wobei da ein Bier nicht fehlen darf.
Montag, 15. Juni 2015: Brüssel
Wir schlafen aus, gehen dann gemütlich zu Fuß zu einem Supermarkt und kaufen da das Frühstück und weitere Lebensmittel ein. Wieder „zu Hause“ genießen wir die mitgebrachten Sachen. Anschließend bringen wir den Haushalt in Ordnung, und dann steht eine erste Besichtigungstour zu Fuß an. Wir marschieren Richtung Grand’Place, ein total spannender und sagenhaft gestalteter Platz im Zentrum Brüssels. Da steht das gotische Rathaus mit einer riesigen Anzahl Statuen, aus Stein gemeißelt, da stehen verschiedene andere Häuser mit später entstandenen und reich verzierten Fassaden: Eine fantastische Augenweide! Wir lassen die Eindrücke auf uns einwirken, foto- und videografieren. In einem nahe gelegenen Restaurant genießen wir einen Imbiss. Für mich stehen Moules Marinières auf dem Programm, denn hier in Brüssel an der Grand’Place habe ich vor 45 oder 46 Jahren solche das erste Mal in meinem Leben gegessen. Und sie schmeckten mir damals schon.
Am Nachmittag besuchen wir noch die königlichen Gärten und den Königspalast. Anschließend befassen wir uns mit der Organisation unsere Heimreise. Dazu marschieren wir zur Gare du Midi. Nach einigem Anstehen gelangen wir an einen sehr kompetenten Schalterbeamten, der uns ausgezeichnet berät und uns die Tickets für uns und unsere Velos von Brüssel nach Basel ausstellt. Zufrieden gehen wir „nach Hause“, kaufen auf dem Weg noch ein und bereiten nun das Nachtessen für uns und unseren Gastgeber Fabian zu, der erst um 23 Uhr nach Hause kommt. Mit Spargel, Käse und einem Elsässer Wein lassen wir den Tag ausklingen.
Dienstag, 16. Juni 2015: Brüssel
Heute ist schon der zweite Tag der Velo-Abstinenz. Nach etwas längerem Schlafen und einem einfachen Frühstück fahren wir mit dem Tram 7 von der Place Montgomery zum Heysel-Stadion und besichtigen das Atomium. Es wurde als Wahrzeichen der Weltausstellung von 1958 in Brüssel errichtet und dient heute als Erinnerungsstück und Ausstellungsraum. Wir genießen den sehr schönen Ausblick von der Aussichtsplattform und besichtigen die zugehörige Ausstellung, die allerdings etwas antiquiert anmutet. Sie gibt aber einen guten Einblick in die Planung und Ausführung dieses für die damalige Zeit sehr fortschrittlichen Bauwerks. Eine weitere Ausstellung befasst sich mit Licht und Photonen und allerlei Aspekte rund um dieses Thema. Zudem präsentieren in einer der Kugeln belgische Künstler ihre Werke.
Am Nachmittag kehren wir mit der Metro ins Zentrum zurück und besichtigen die Kathedrale, statten der Grand’Place nochmals einen Besuch ab, schauen uns die Comics-Ausstellung im Museum of Original Figurines an und probieren selbstverständlich auch das bekannte und viel geschätzte belgische Bier (Trappisten- und Weißbier). So ein Stadtbummel macht einfach müde. Wir gehen zurück zu unserem Nachtquartier, holen uns noch eine Jacke und gehen dann zum Nachtessen an die Place de Jourdan, wo wir’s dieses Mal in einem vietnamesischen Restaurant probieren. Und wirklich, es lohnt sich, wir bekommen zwei schöne Teller mit einerseits einem Ananassalat und meinerseits einer vietnamesischen Reispfanne, die mir sehr gut schmeckt. Nun erwarten wir noch Fabian, um mit ihm zusammen bei einem Gläschen Wein den Tag zu beschließen. Der kommt aber so spät von der Arbeit, dass wir uns bereits vor seiner Ankunft aufs Ohr legen.
Mittwoch, 17. Juni 2015: Brüssel
Heute steht die EU auf unserem Programm. Erst spät machen wir uns auf den Weg zum EU-Parlamentsgebäude. Dort werden wir auf den Nachmittag vertröstet, denn die nächste Führung durch das Gebäude findet erst um drei statt. Wir bestaunen die großartigen Glasbauten von außen und fragen uns da und dort, ob eine derart prunkvolle Bauweise angesichts der vielen zu lösenden Probleme gerechtfertigt ist. Darauf holen wir uns im Informationszentrum, das in einem stehen gelassenen Gebäudeteil der ehemaligen Gare de Luxembourg Gastrecht genießt, verschiedene Informationsbroschüren.
Anschließend besuchen wir nochmals die Grand’Place und genießen in der Nähe der Börse einen kleinen Imbiss. Danach begeben wir uns wieder zum EU-Parlament und bekommen dort prompt unsere Eintrittskarten. Punkt drei beginnt die Führung.
Wir werden mit einem Audio-Video-Guide ausgerüstet und mit dem Lift in den 4. Stock geschickt. Da lassen wir uns über die plastische Figur zum Thema Verbundenheit orientieren. Anschließend werden wir auf die Zuschauertribünen des EU-Parlaments gewiesen und über die Arbeitsweise dieses Gremiums informiert. Und nachher ist die ganze Führung bereits beendet. Wir verlassen das imposante Gebäude enttäuscht. Da haben wir mehr Informationen und Einblicke erwartet.
Den Abend verbringen wir mit Fabian. In einem weiten Bogen, durch bisher noch nicht besuchte Viertel Brüssels führt er uns in die Altstadt, wo wir zusammen essen gehen. Dabei kommen wir auch über die Grand’Place, wo vor allem junge Leute zusammen am Boden sitzen und sich unterhalten. Auch nachts wirkt der Platz beeindruckend. Danach geht’s noch auf ein Bier auf einem großen Platz mit hohen Bäumen, vielen Leuten und Tischen im Freien. Es ist für einen gewöhnlichen Werktag sehr viel Betrieb. Als wir um Mitternacht herum heimkommen, stellt Margrit fest, dass wir den ganzen Tag 20 km zu Fuß zurückgelegt haben. So ist für einen tiefen Schlaf gesorgt.
Donnerstag, 18. Juni 2015: Heimreise
Heute heißt es, Abschied nehmen, zuerst von Fabian, der nach dem Frühstück schon bald verreisen muss, um seiner Arbeit nachzugehen. Ihm danken wir für seine Gastfreundschaft, seine Tipps und seine Begleitung. Wir packen unsere Sachen zusammen und machen unsere Velos bereit. Den Weg zum Bahnhof Brüssel Midi finden wir problemlos und erreichen ihn und das entsprechende Perron schon 50 min vor der Abfahrt unseres Intercity nach Basel. Doch da erleben wir die erste Überraschung: Im bereitgestellten Zug gibt es im auf unserem Billet angegebenen Wagon keine Veloeinstellplätze. Der Zugbegleiter weist uns zu einem anderen Wagen, aber der existiert nicht. So entscheidet er dann, dass wir die Velos in den Wagen nehmen sollen, der auf den Velofahrkarten angegeben ist. Wir nehmen also unsere Räder in den Wagen und stellen sie zwischen die beiden Sitzbänke. Alle nach uns einsteigenden Fahrgäste müssen sich nun daran vorbeizwängen, aber das scheint für sie ganz normal zu sein. Wir genießen die Fahrt, die voraussichtlich rund 7 Stunden dauern wird.
Wegen einer Baustelle verzögert sich unsere Fahrt, und wir treffen mit einer Viertelstunde Verspätung in Luxemburg ein. Dort übernimmt ein Kontrolleur der SNCF den Zug. Er wundert sich über den Standort unserer Velos. Ich erkläre ihm den Sachverhalt, und er gibt sich damit zufrieden. Kurz vor der Ankunft des Zugs in Straßburg kommt er wieder vorbei und verlangt, dass wir unsere Räder in den mitgeführten Wagen mit Radfahrabteil weiter vorne im Zug bringen sollen. Dort angekommen, laden wir unsere Velos aus und ich stoße sie beide auf dem Perron nach vorne in den Velowagen, lade sie dort wieder ein, allerdings mit einiger Mühe, da der Ansturm gross ist. Eines der beiden Räder findet keinen Platz mehr im Abteil, so dass ich mit ihm im Vestibül des Wagens stehen bleibe, bis wir in Mülhausen eintreffen, wo sich der Zug ziemlich entleert, so dass jetzt genügend Platz vorhanden ist. Nun lasse ich Margrit mit dem ganzen Gepäck nach vorne kommen. In Basel angekommen, können wir stressfrei aussteigen, die Fahrräder bepacken, in den Schweizer Teil des Bahnhof wechseln und von dort mit Zügen der SBb unsere Reise abschließen. Zwar etwas müde, aber zufrieden erreichen wir unseren Wohnort und finden alles in gewohnter Ordnung vor.